Von Zauderern und Songwritern

websitebuilder • Dez. 30, 2021

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Von Zauderern und Songwritern


Was, wenn alles gut geht?


Jeder von uns kennt das.

Wir würden gerne…

Irgendwann einmal…


Wenn meine Arbeit es zulässt, die Zeit, das Geld, mein innerer Schweinehund…


Und dann ist sie plötzlich da, die Situation, der Zeitpunkt. Die Rahmenbedingungen scheinen zu passen. Keine Ausreden mehr!


Wenn es da nicht dieses Zögern gäbe. Dieses Zaudern.


Das Zaudern also. Dieser winzige Teil in uns, der vorgibt uns nur schützen zu wollen. Der es nur gut mit uns meint. Dieses „was aber, wenn…“ und „wie kannst du dir sicher sein“. Dieses Wesen, das regelmäßig Komplotte ausheckt mit dem inneren Feigling in uns. Der, der sich so ungern aus der Komfortzone erhebt, weil’s doch so schön kuschelig ist, so wie es gerade ist, zwischen all dem Bekannten, das wir einschätzen und scheinbar kontrollieren können.

Der, der regelmäßig den fiesen Alarm-Buzzer betätigt: Neu = Risiko!


Aber was, wenn alles gut geht?


Ein Shirt mit ebendiesem Aufdruck fiel mir während einer Ausmistaktion letztens in die Hände.

Ein Erinnerungsstück an ein kleines aber grandioses Konzert von Laith Al-Deen vor vielen Jahren, in Anlehnung an den gleichnamigen Song des damals aktuellen Albums.


Was, wenn alles gut geht. Was, wenn jeder Schritt gelingt?


Im Laufe unseres Lebens müssen wir ständig wählen. Tee oder Kaffee zum Frühstück? Rock oder Hose heute? Ostseeurlaub oder Malediven? Die Konsequenzen bei diesen Entscheidungen sind meist überschaubar.

Aber es gibt auch die, die möglicherweise existenzielle Folgen für uns haben. Finanzielle. Emotionale.

Manch einer zuckt an dieser Stelle verständnislos und kopfschüttelnd mit den Schultern.

Oh, ich weiß. Euch gibt es auch. Die mit dem dicken Fell und den breiten Schultern. Die, denen es trotz finanzieller Eskapaden keine schlaflosen Nächte bereitet, wenn völlig unvorhergesehen die Waschmaschine den Geist aufgibt. Die, denen es nach einer gescheiterten Beziehung schneller und sportlicher als anderen gelingt, aufzustehen, das berühmte Krönchen zu richten, um sich in das nächste Abenteuer zu stürzen. Chapeau an dieser Stelle euch Adrenalinjunkies.


Der Schriftsteller William Saroyan schrieb einmal: „Erfahrung ist die Summe der begangenen Fehler, dividiert durch die eigene Dummheit.“ (Quelle: Wikipedia).


Nach Saroyans Statement sind es die Geschichten, die schlecht ausgegangen sind, die bei denen wir im Nachhinein betrachtet besser links, statt rechts hätten abbiegen sollen, diese Geschichte also, die das wirkliche Guthaben auf unserem Erfahrungskonto ausmachen.

Dabei vergessen wir möglicherweise allzu oft, dass wir nicht hier stünden, wo wir sind, wenn es auch nicht hin und wieder, vielleicht sogar in den überwiegenden Fällen gut gelaufen wäre.

Was, wenn alles gut geht.

Was, wenn jeder Plan gelingt.


Meiner Meinung nach ist es doch folgendermaßen: wir glauben, alles was uns im Leben neu begegnet, einschätzen und abwägen zu müssen.


Ist jetzt der richtige Zeitpunkt, beruflich nochmal durchzustarten?

Soll ich mir mit dieser Investition wirklich meinen lange gehegten Traum erfüllen?

Ist der Mensch, in den ich mich verliebt habe, es wert, mich auf ihn einzulassen?


Wir bedienen uns bewusst oder unbewusst aus dem Pool der Erfahrungen, die wir in ähnlichen Situationen gemacht haben.

Und vergessen dabei jedoch eines: Das Leben ist so kunterbunt mit seinen zig-Millionen Parametern, die auf uns einwirken. Was gestern war, muss heute nicht gelten.

Die Menschen, die uns begegnen bringen ein wunderbares Sammelsurium aus eigenen Erfahrungsschätzen mit.

Die Wege, die wir neu beschreiten, ermöglichen uns, uns zu entwickeln.

Die Träume, die wir uns erfüllen machen uns vielleicht glücklicher, als das Sicherheitsgefühl einer Reserve auf unserem Bankkonto, das wir für unsere Unabhängigkeit so wichtig finden.


All das eröffnet uns also Chancen auf etwas Neues, auf wunderbare Momente, auf Gelegenheiten, die sonst womöglich unwiederbringlich an uns vorbei ziehen.


Der kleine Zauderer in mir schmollt jetzt ordentlich.

Ich lass ihn, er beruhigt sich schon wieder.

Heute muss er mich nicht vor Dummheiten retten.


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